Deutsche Spuren entlang der Donau - reisen, begegnen, erleben
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Das Dorf ist 40 km südöstlich von Pécs entfernt. Nach dem Sieg der kaiserlichen über die osmanische Armee am Berg Harsány 1687 wurde Nagynyárád (deutsch Großnarad) für die Hofkammer beschlagnahmt. 1699 erhielt Prinz Eugen aus Savoyen für seine Kriegsdienste das Herrschaftsgut Bellye mit Großnarad. Da der Grundherr 1737 ohne gesetzliche Erben starb, geriet das Gut wieder in Besitz der Familie Habsburg. 

Ende des 17. Jahrhunderts lebten in dem nach der osmanischen Herrschaft weitgehend entvölkerten Gebiet einige serbische Familien und einige wenige Magyaren. Die Besiedlung des Dorfes durch deutsche Kolonisten hat wohl schon vor 1715 begonnen, wenn auch nur vereinzelt. Eine Besiedlung im größeren Stil erfolgte von 1720 bis 1723. Die ersten Kolonistenfamilien kamen aus dem Bistum Fulda. 1729 lebten 280 Seelen im Dorf. Die Einwohnerzahl stieg in den nächsten Jahrzehnten schnell, und so fand Bischof Klimo 1757 bei seiner Visitation hier bereits 828 Gläubige vor. Die orthodoxen Serben verließen schon früher die Ortschaft, nur der Flurname „Ratzkipfl“ am westlichen Dorfrand erinnert noch an ihre einstige Anwesenheit. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden aus der Ortschaft über 600 Deutschen vertrieben. Die Heimatverbliebenen wurden entrechtet und enteignet. Aufgrund der Beneš-Dekrete wurden aus der Tschechoslowakei vertriebene magyarische Familien, bzw. Magyaren aus verschiedenen ungarischen Regionen, in die Häuser der Deutschen eingewiesen. Dadurch wurde nicht nur die sprachlich-kulturelle Homogenität der Siedlung aufgehoben, sondern auch die religiöse, da die hier angesiedelten Magyaren kalvinistisch reformiert waren. 

Empfehlenswert ist eine Besichtigung des Friedhofes. Die Änderung der Sprache auf den Grabmälern seit Mitte des 20. Jahrhunderts zeigt deutlich, welche drastische Wirkung Entrechtung und Enteignungen zwischen 1946 und 1948, bzw. die Vertreibung der Deutschen aus Ungarn auf die örtliche deutsche Gemeinschaft hatten. 

Das gemeinsame Denkmal der aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen und der aus der Tschechoslowakei durch die Beneš-Dekrete vertriebenen Ungarn ist für das ganze Karpatenbecken einzigartig. Das Denkmal befindet sich auf dem kleinen Platz vor der Táncsics Str. 30. Auf diesem Platz  findet jedes Jahr am 23. Oktober eine Gedenkveranstaltung in deutscher und ungarischer Sprache statt.

Das herausragende künstlerische Denkmal der Siedlung ist die zwischen 1756 und 1763 zu Ehren der Mutter Gottes errichtete Kirche. Dieser Barockbau wird Wiener Architekten zugeschrieben. Der Tradition entsprechend, ordnete Maria Theresia nach der Geburt ihres siebten Kindes an, in sieben Siedlungen auf Staatskosten eine Kirche zu bauen. Großnarad sollte von diesen die nördlichste sein – und die einzige, die sich heute in Ungarn befindet. Die anderen sechs Kirchen stehen in Dörfern des Donau-Drau-Dreiecks im heutigen Kroatien.

LINKS: Die zwischen 1756 und 1763 zu Ehren der Mutter Gottes errichtete Kirche.

RECHTS: Der Innenraum der Barockkirche.


LINKS: Bildstock an der Ecke der römisch-katholischen Pfarrei in Großnarad aus dem 18. Jahrhundert.

RECHTS: Grabmal auf dem alten Friedhof.

Wissenswertes

Blaufärbermuseum und Werkstatt
Die Werkstatt des Blaufärbermeisters János Sárdi verschaffte dem Dorf einen Ruhm, der mittlerweile die Grenzen der Region weit überschritten hat. Heute kann man hier die traditionelle Blaufärberwerkzeuge besichtigen und nachvollziehen, wie mit diesen gearbeitet wurde.


7784 Nagynyárád, Dózsa Gy. u. 5.
Tel: +36 (0) 69 374 142

Öffnungszeiten: Mo – Fr 8-16 Uhr 



Dorfmuseum
Das Heimatmuseum zeigt eine typische Wohnungseinrichtung und Trachten der deutschen Bevölkerung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 

7784 Nagynyárád Kossuth L. u. 5. 
Telefon: +36 (0) 69 374 104
Besichtigung nach vorheriger Anmeldung. 

Blaufärberfest
http://nagynyarad.hu/
Das große Blaufärberfest findet traditionell jedes Jahr am dritten Wochenende im Juli statt. Zwei Festtage, an denen mit kulinarischen Angeboten, Musik und Tanz gefeiert wird.